Verdun. Viele Jahre später.

Erich Kästner Tanztheaterabend

Tanztheater Marianne Früh. Triologie von Tanz, Musik und Sprache

Premiere: 24. Juli 2011

Tanz: Ulrika Müller-Sulzbacher, Caroline Müller-Spitzer, Lissy Parth, Heike Quitt, Mia Schobert, Sina Rogozinsky, Carsten Quitt, Anna Seitz, Mira Käding.
Musik: Tschaikowsky, Violinkonzert Nr. 1, 1. Satz
Rezitation: Sebastian Spitzer
Choreografie: Marianne Früh

In dieser Choreografie geht es mit vor allem um das Miteinander von Musik, Tanz und Text. Das voneinander lernen, im Sinne von Bereicherung, Ergänzung, sich zusammen fügen, des genauen Hinhörens der Musik, der Bewegung und des Textes. Musik wirklich erfassen in ihrer Gesamtheit, im Detail erschließen. Musik nicht als Background oder als Stimmungsmacher »benutzen«, Musik erleben. Auch aus diesem Grund wählte ich Tschaikowskys Violinkonzert, was mir als eine geeignete Herausforderung, zu diesem Kästner Gedicht, erschien.

Passend zu bestimmten Musikphrasen wird der Text durch den Tanz lebendig und gestaltet sich in stimmiger Form. Vier Tänzerinnen in weißen Kleidern, Hinterbliebene der Toten, engelhaft schweben sie über die Erde, wollen nicht darauf treten, da ihre Männer darin begraben sind. Sie erleben in theatralischen Bildern nach, was ihre Männer erlitten haben, wehren sich gegen den Tod, haben keine Chance und müssen sich dem Tod ergeben.

Die Kiste, als Metapher in Erich Kästners Gedicht, steht für Särge, deren Sargdeckel sich unweigerlich schließt, auch wenn die Hände und Arme sich wehren, kraftlos sich am Ende dem Tod ergeben.

»Peter Tschaikowski schrieb das Konzert im März und April des Jahres 1878 in Clarens, einem am Genfer See gelegenen Winzerort. Dort erholte sich Tschaikowski von Depressionen, die durch die unglückliche Ehe mit der Konservatoriumsstudentin Antonina Miljukova und seine unterdrückte Homosexualität ausgelöst worden war. Die positive Wirkung seines Aufenthaltes schlug sich in diesem Konzert nieder, in welchem sich neu gewonnene Lebensfreude manifestierte.« (Quelle: Wikipedia)

Der erste Satz beinhaltet vielfältige Stimmungswandel, von heiter und leicht zu schwer und traurig. Versöhnend und hoffnungsvoll. In Heike Quitts Solo nehme ich den Gedanken der Versöhnung auf. Sie streicht hingebungsvoll und in zärtlichem Gestus die Erde, die drei anderen Tänzerinnen gesellen sich zu ihr und es kommt zu einem harmonischem Quartett im Einklang zur Musik. Fünf junge TänzerInnen des Jugendtanztheaters meiner Schule übernehmen den Part der Hoffnung, der neu gewonnen Lebensfreude. Die Jugend spielt auf der Erde mit den Blumen, werfen sich in freudvollem sein die Blumen im Kreis zu, die zuvor von zwei Tänzerinnen liebevoll auf die Erde verteilt werden.

Sie reihen sich zum triumphalen Ende der Triologie zu den vier Tänzerinnen des Tanztheaters ein und unterstreichen mit einem klaren Gestus an Kopf und Stirn »behaltet es im Gedächtnis.«

Ein herzlicher Dank geht an meine Tänzerinnen, die ganz in ihrem Tun und Sein, jede auf ihre Art zum besten Gelingen dieser Choreografie beigetragen haben.

Die Befreiung in der Form

Mein ganz persönlicher Ansatz und Anspruch einer jeder Choreografie ist, jede Tänzerin und jeden Tänzer in seinem ganzen Wesen zu erfassen und so einzusetzen, dass jede und jeder ganz stimmig ist in seinem Tun und Wirken auf der Bühne. Da sich die TänzerInnen mit ihrer ganzen Person einbringen, ist die Choreografie geprägt durch die Personen, die mittanzen.

Wenn sich diese Idee paart mit meinem technischen Anspruch und der Idee die Befreiung in der Form zu erleben, kommt es für mich zum höchsten Kunstgenuss und zu jenem kreativen Prozess, der sowohl für meine TänzerInnen als auch für mich als Choreografin, befreiend und beflügelnd – ganz im Sinne der Roten Flügel – wirkt, was sich wiederum auf die Zuschauenden übertragen möge.

Marianne Früh